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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.07.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 120/03
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 19 | |
FGG § 25 | |
FGG § 69g Abs. 1 |
Gründe:
I.
Die Betreuungsbehörde regte mit Schreiben vom 2.4.2003 an, für die Betroffene ein Betreuungsverfahren einzuleiten und ein neurologisches Fachgutachten zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit zu erholen. Das Amtsgericht stellte das Verfahren jedoch mit Beschluss vom 4.4.2003 umgehend ein, weil ein in einem früheren Verfahren erholtes psychiatrisches Gutachten vom 19.2.2001 ergeben habe, dass bei der Betroffenen zwar eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert vorliege, die Erkrankung aber keinen wesentlichen Einfluss auf die Fähigkeit der Betroffenen habe, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst zu erledigen. Auf Beschwerde der Betreuungsbehörde hob das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 5.5.2003 auf und verwies das verfahren zur Durchführung weiterer Ermittlungen und neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Hiergegen wendet sich nunmehr die Betroffene mit ihrem als Widerspruch bezeichneten Rechtsmittel, das sie am 4.6.2003 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts wiederholt hat.
II.
Das Rechtsmittel der Betroffenen ist als weitere Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts zulässig eingelegt, aber unbegründet.
1. Als Betroffene ist die Beschwerdeführerin durch den Beschluss des Landgerichts beschwert und damit bezüglich des Rechtsmittels der weiteren Beschwerde beschwerdeberechtigt.
2. Zu Recht hat das Landgericht die Erstbeschwerde als zulässig angesehen. Die Beschwerdeberechtigung der Betreuungsbehörde folgt aus § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG.
3. In der Sache hat das Landgericht seine Entscheidung wie folgt begründet:
Das Verfahren erster Instanz leide an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel. Das Amtsgericht sei aufgrund der ihm bekannten Umstände verpflichtet gewesen, ein aktuelles nervenärztliches Gutachten zum Zustand der Betroffenen einzuholen. Es habe seine Entscheidung jedoch auf ein über zwei Jahre altes Gutachten gestützt, ohne zu berücksichtigen, dass im Verlauf der seither verstrichenen zeit eine Verschlechterung des Krankheitsbildes bei der Betroffenen habe eintreten können. Zudem habe bereits seinerzeit ein weiteres nervenärztliches Gutachten vorgelegen, das eine Betreuung der Betroffenen als erforderlich bezeichnet habe. Eine abschließende Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren käme in einer solchen Situation dem Verlust einer Instanz gleich, weshalb das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen sei.
4. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
a) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht ihm einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung des Betreuers gegen den Willen des Betroffenen setzt daneben voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 454/455).
b) Verfahrensrechtlich darf ein Betreuer grundsätzlich erst bestellt werden, nachdem das Gutachten eines Sachverständigen über die Notwendigkeit einer Betreuung eingeholt worden ist (§ 68b Abs. 1 Satz 1 FGG). Darüber hinaus gilt im Betreuungsverfahren das Amtsermittlungsprinzip; das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen (§ 12 FGG).
c) In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht festgestellt, dass das amtsgerichtliche Verfahren diesen Grundsätzen nicht genügt hat. Die Betreuungsbehörde hat in ihrem Schreiben vom 2.4.2003 auf neue Umstände hingewiesen, die darauf hindeuteten, dass sich der Gesundheitszustand der Betroffenen in letzter Zeit massiv verschlechtert haben könnte. Das Amtsgericht war verpflichtet, diesem Hinweis nachzugehen. Zwar bestimmt das Gericht im Rahmen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale den Umfang seiner Ermittlungen grundsätzlich selbst; es darf die Ermittlungen einstellen, wenn ihre Fortsetzung ein die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr erwarten lässt (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 12 FGG Rn. 13). Im vorliegenden Fall hat das Landgericht aber rechtlich zutreffend darauf hingewiesen, dass angesichts der von ihm aus den Akten getroffenen Feststellungen sich neue Ermittlungen, insbesondere die Erholung eines neuen Sachverständigengutachtens, geradezu aufdrängten. Zu welchem Ergebnis die Ermittlungen führen werden, bleibt offen.
d) Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, dass das Landgericht im Beschwerdeverfahren keine eigenen Ermittlungen durchgeführt und keine eigene Sachentscheidung getroffen, sondern die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen hat. Erweist sich eine Beschwerde als zulässig und begründet, so trifft das Landgericht in der Regel unter Aufhebung der Verfügung der Vorinstanz selbst die sachliche Entscheidung, die das Amtsgericht hätte treffen sollen,(vgl. dazu Keidel/ Sternal FGG 15. Aufl. § 25 Rn. 17 m. w. N.). Ausnahmsweise kann das Beschwerdegericht aber auch die Verfügung des Erstgerichtes aufheben und die Sache zur anderweitigen (neuen) Entscheidung zurückverweisen. Dies ist zulässig bei schwerwiegenden Mängeln im Verfahren, insbesondere bei ganz ungenügender Aufklärung des Sachverhaltes, wenn die Sachentscheidung des Beschwerdegerichtes also dem Verlust einer Instanz gleichkäme (BayObLG NJW-RR 2002, 679/680; Keidel/Sternal § 25 Rn. 21). Die Zurückverweisung steht insoweit im Ermessen des Beschwerdegerichts.
Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung unzweifelhaft gegeben. Das Amtsgericht hat nach Eingang des Schreibens der Betreuungsbehörde überhaupt keine Ermittlungen durchgeführt, sondern das Verfahren unter Hinweis auf in einem früheren Verfahren gewonnene Erkenntnisse umgehend eingestellt. Das Landgericht hätte daher, hätte es in der Sache selbst entscheiden wollen, den Sachverhalt von Anfang an selbst neu aufklären müssen. Dies wäre, worauf das Landgericht zu Recht hinweist, dem Verlust der ersten Instanz gleichgekommen.
Ende der Entscheidung
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